19 Sep 2016

Mit geschlossenen Augen: 3 Dinge, die ich vom Golfen übers Schreiben lerne

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Seit einem Jahr probiere ich mich im Golfen und bin inzwischen glücklich, wenn ich gelegentlich den Ball treffe. Richtig treffe, nicht nur ein bisschen „toppe“, sodass er kläglich ein paar Meter übers Gras hoppelt.

Ich gebe es zu: Ich habe Golf immer unterschätzt, hielt es für einen Sport, der überwiegend dazu dient, an der frischen Luft zu sein und sich dabei ein bisschen zu bewegen.

Inzwischen weiß ich: Puh, dieser Sport ist sch…schwer! Es gibt soviel zu lernen, so vieles zu beachten … und schon minimale Veränderungen der eigenen Körperhaltung – oder auch des eigenen Geistes – haben enorme Auswirkungen auf das Ergebnis.

Obwohl der Golfsport und das Schreiben von Büchern auf den ersten Blick keine Ähnlichkeit  miteinander haben, habe ich festgestellt, dass ich vom einen viel fürs andere lerne.

3 Dinge, die ich beim Golfen wie beim Schreiben brauche (oder es sonst besser sein lasse an diesem Tag):

Gelassenheit.

An Tagen, an denen ich nicht gelassen bin, ganz in meiner Mitte, und es mir komplett egal ist, wie ich heute spiele und was die anderen Spieler auf dem Platz über mich denken, brauche ich nicht auf den Golfplatz gehen. Denn umso weniger gelassen ich bin, umso kläglicher sind meine Schläge – und umso mehr sinkt meine Stimmung in den Keller. Was letztlich auch meinem lieben Partner die Zeit auf dem Platz vermiest, wenn ich wie ein schimpfender Rohrspatz neben ihm her stapfe. Je mehr ich in mir ruhe, einfach Spaß am Spiel habe und auch mal NICHT die erreichten Punkte zähle, sondern nur Schlag für Schlag genieße und die frische Luft einatme – auch: anerkennen kann, was ich bereits GUT mache und nicht nur, was noch verbesserungswürdig ist, umso mehr Spaß habe ich.

Fokus auf mich selbst, nicht auf die anderen.

Ich bin wirklich eine blutige Anfängerin beim Golfen und kann es gar nicht gut haben, wenn mir andere dabei zuschauen. Wie beim Schreiben auch, verunsichert es mich total, wenn mir jemand dabei über die Schulter schaut. Schon, wenn sich nur ein anderer Spieler oder eine Gruppe meinem Abschlagloch NÄHERT, bekomme ich eine innerliche Krise und würde am liebten warten, bis alle, wirklich alle, den Platz verlassen haben und ich ganz allein bin. Aber solche idealen Situationen gibt es natürlich nicht – außer man würde mitten in der Nacht im Dunkeln auf den Platz gehen, was nicht möglich ist, weil man dann nichts mehr sieht. Und spätestens bei der Veröffentlichung eines Buches liest es am Schluss auch jeder – die guten Sätze wie die miserablen. Besser also, man gewöhnt sich an die Blicke der anderen über die eigene Schulter. Der Gedanke „Alle Welt spielt fantastisch Golf/schreibt großartige Bücher, nur ich nicht.“ hilft in dem Fall also wenig, im Gegenteil, er blockiert nur. Es hilft mir, wenn ich mich in solch unsicheren Momenten einfach auf mich selbst fokussiere und konzentriere – auf niemanden sonst. Irgendwann hat jeder Golfspieler auf dieser Erde den ersten Schlag getan. Irgendwann hat jeder Autor sein erstes Wort geschrieben. Ein brillantes. Oder ein bullshittiges. Und im Zweifel weiß es keiner mehr, welches es war. Zum Glück.

Und meine dritte Lektion?

Nicht zu viel denken.

Wenn ich einfach drauflos spiele, ohne zu viel nachzudenken, ganz entspannt, ohne mich zu verkrampfen, gelingen mir die besten Schläge. Denke ich zu viel, will es „zu gut“ machen, schlage ich daneben. Haue sogar komplett in die Luft – welch ein Frust! – oder, und das tut weh, hacke mit dem Schläger so blöd in den Boden, dass sich mein Handgelenk daran noch Tage später erinnert.

Selbiges beim Schreiben: Wenn ich mit zu hohem Anspruch an ein neues Buchprojekt herangehe, kann ich nur scheitern. Die Sache erscheint einfach „zu groß“. Wenn ich mir stattdessen sage: „Mach kein großes Ding draus. Setz dich einfach hin und schreib das erste Kapitel. Du kannst es später wieder löschen oder feinschleifen“, dann wird das Schreiben sofort leichter. Ich kann frohen Mutes starten und meist sind die ersten Ergebnisse gar nicht mal so schlecht.

Zu vermeiden sind für mich gerade beim Beginn eines neuen Buches oder neuen Kapitels unbedingt auch folgende Gedanken und Fragen: Welches Buch hatte in der Vergangenheit großen Erfolg? Schaffe ich das auch? Meine Güte, was, wenn jemand gerade an der gleichen Idee schreibt?! … Solche Gedanken machen nur nervös und blockieren den eigenen Fluss. Ich schreibe mein Buch. Du schreibst Dein Buch. Basta. Wir beide schreiben tolle Bücher! Und was der Markt sagt, wenn das Buch später draußen ist – das wissen wir beide heute noch nicht. Heute schreiben wir beide einfach das beste Buch, das wir je geschrieben haben.

Und zu guter Letzt verrate ich Dir noch den Tipp aller Tipps, den ich von dem Mann bekam, der jedes Mal mit einer Engelsgeduld mit mir über den Platz geht – an den Tagen, an denen ich vorbildlich gelassen, tiefen-fokussiert und nicht-zuviel-denkend bin, und genauso auch an den Tagen, an denen ich wie ein Rohrspatz schimpfe 🙂 – mein Partner und Gefährte, der schon seit mehr als 10 Jahren golft und das großartig.

„Mach die Augen zu“, sagte er vor einigen Monaten zu mir. Wir standen an der Driving Range und übten das Abschlagen, und während rechts und links von mir alle Spieler gefühlt und federleicht den Horizont erreichten mit ihren Bällen – konnte ich noch die Schrift auf meinem Ball sehen. NACH dem Abschlag. Nur wenige Meter vor mir lag er da. Unschuldig. Weiß. Mit kleinen, schwarzen Buchstaben. Ich war frustriert. Wollte schon wieder schimpfen …

Da sagte er: „Mach die Augen zu und dann mach den Schlag so, wie du ihn immer machst.“

Ich dachte: Ich soll Golf spielen mit geschlossenen Augen? Ich muss doch SEHEN, was ich mache!

„Mach einfach die Augen zu!“

Also gut, dachte ich, schloss die Augen, holte in Zeitlupe nach rechts aus und ließ den Schläger mit Schwung durchschwingen … und traf den Ball so fantastisch wie noch nie!

Völlig baff und sprachlos schaute ich auf mein leeres Tee vor meinen Füßen, wo gerade noch mein Ball gelegen hatte. Mein eigener Ball (lächelte er ein bisschen?) lag zufrieden und in einer Entfernung, die mich heute noch erstaunt, zwischen den Bällen der anderen Spieler auf dem weiten Rasenfeld.

Vielleicht sollte ich beim Schreiben auch einfach mal die Augen zumachen.

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